Interviewer: Martin, laut einer aktuellen KfW-Studie geht der Anteil der mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die aktiv Innovationen vorantreiben, immer weiter zurück. Danach stieg der Anteil der Unternehmen, die keine Innovationen hervorgebracht haben, innerhalb der letzten 10 Jahre von 32 % auf 42 %. Zeit für einen Abgesang auf das Land der Tüftler & Entwickler?
Martin Stiller: Es ist wahr, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die unsere Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich prägten, von Innovationshemmnissen stärker betroffen sind. Dazu zählen Fachkräftemangel, Lieferkettenengpässe, Inflation und nicht zuletzt auch komplexe Gesetze und Regulierungen. Wer mit so vielen Herausforderungen im Tagesgeschäft zu kämpfen hat, verleiht Innovationsvorhaben vielleicht nicht die oberste Priorität – meiner Meinung nach zu Unrecht.
Interviewer: Das heißt, mittelständische Unternehmen sollten das Thema Innovation gerade jetzt auf ihre Agenda setzen?
Martin Stiller: Unbedingt. Wir agieren heute in einer zunehmend dynamischen und wettbewerbsintensiven Geschäftswelt. Neue Technologien, sich ändernde Kundenbedürfnisse und globale Herausforderungen erfordern, dass Unternehmen agil und anpassungsfähig sind. Was die letzten Jahrzehnte gut funktioniert hat, kann schon morgen absolut obsolet sein – Stichwort Nokia oder Kodak. Viele Unternehmen haben gerade digitale Herausforderungen nicht früh genug in ihren Fokus gerückt. Dabei sind vor allem die Chancen digitaler Innovation vielfältig: Umsatzsteigerung durch die Erschließung neuer Zielgruppen etwa oder mehr Effizienz durch digitale Prozesse. Und last but not least sind innovative Unternehmen auch für potenzielle Arbeitgeber*innen deutlich attraktiver.
Martin Stiller: Ich erkläre zunächst einmal zwei zentrale Dinge. Erstens: (Digitale) Innovationen lassen sich auch mit begrenzten Ressourcen gezielt fördern. Und zweitens: Mit Innovationsmanagement zaubere ich zwar keine Ingenieur*innen aus dem Hut, aber ich kann damit mehr aus meinem Business herausholen. Zum Beispiel indem ich einen zusätzlichen Service entwickle, der mir neue Absatzmöglichkeiten bietet. Gerade im Mittelstand denken wir Innovation oft nah an der Produktentwicklung oder der Value Chain entlang. Ich denke, wir sollten den Fokus mehr in Richtung Digitales weiten und schauen, wie wir mit bestehenden Ressourcen Neues entstehen lassen können.
Interviewer: Das heißt, Innovation muss nicht immer groß und teuer sein?
Martin Stiller: Die für Innovation benötigten Ressourcen – Zeit, Personal, Budget – hängen stark davon ab, wie mein Innovationsvorhaben aussieht. Geht es z.B. um die Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts für einen neuen Markt, ist der Aufwand meist überschaubar, denn das Ziel meines Innovationsvorhabens ist klar umrissen. Versuche ich jedoch mit digitalen Services ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, werde ich dafür mit Sicherheit mehr Leute einbinden und mehr Zeit investieren müssen. Schließlich kenne ich zu Beginn meines Vorhabens das Resultat noch gar nicht. Doch egal, ob Innovationsvorhaben „groß“ oder „klein“ sind – ich rate Unternehmen immer dazu, zunächst zu schauen, wie weit sie mit Bordmitteln, also den eigenen Ressourcen, kommen.
Interviewer: Wie kann das konkret aussehen?
Martin Stiller: Eine bewährte Innovationsmethode ist Co-Creation. Die Idee dabei ist es, Kunden gezielt in den Innovationsprozess mit einzubeziehen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind oft sehr nah an ihren Kunden dran. Gehen Sie aktiv auf sie zu, bitten Sie um Feedback und beziehen Sie aktiv in die Entwicklung neuer Produkte oder Services ein.
Besonders für Unternehmen mit recht spitzem Produkt- oder Leistungsportfolio kann es auch Sinn ergeben, sich mit anderen Unternehmen zusammenzutun und dadurch Ressourcen zu bündeln. Auch die Kooperation mit Universitäten, Forschungseinrichtungen oder hoch spezialisierten Start-ups kann je nach Branche oder Produktfokus sinnvoll sein.
Interviewer: Und wie lösen Unternehmer dadurch den eigenen Fachkräftemangel?
Martin Stiller: Wir können ihn zumindest abfedern, indem wir in die Weiterbildung unserer Mitarbeitenden investieren. Das Management von Innovationsvorhaben ist keine Raketenwissenschaft. In unserem Innovation Starter-Workshop beispielsweise vermitteln wir Mitarbeitenden in einem Tag ein Basis-Set an Methoden und Werkzeugen, mit dem sie Innovationsprozesse selbständig aufsetzen und steuern können. Die Investition, sowohl finanziell als auch zeitlich, ist dabei absolut überschaubar.
Solch eine Form der Weiterbildung von Mitarbeitenden, wir nennen sie auch Re- oder Upskilling, ist ein ganz zentraler Baustein der Human Ressources Strategie für mittelständische Unternehmen. Denn einerseits ist man weniger abhängig vom Recruiting neuer Fachkräfte, andererseits bindet man bestehende Mitarbeitende enger ans Unternehmen. Wenn Mitarbeitende sehen, dass in ihre Fähigkeiten investiert wird und sie in zukunftsrelevante Themen aktiv eingebunden werden, fühlen sie sich wertgeschätzt und bleiben länger im Unternehmen.
Interviewer: Was möchtest du unseren Leser*innen abschließend noch mit auf den Weg geben?
Martin Stiller: Fangt an! Der deutsche Mittelstand war stets von einem Machergeist geprägt, der mich schon immer tief beeindruckt hat. Den vermisse ich gerade im Bereich der digitalen Innovation aktuell etwas. Fangt an, die eigenen Mitarbeitenden einzubeziehen, sammelt mit ihnen Ideen und befähigt sie, diese in einem strukturierten Prozess umzusetzen. Denn genau das ist Innovation – Ideen auf die Straße zu bringen. Viel mehr braucht es für den Anfang gar nicht.
In unserem Starter Workshop vermitteln wir Ihrem Team die Grundlagen für das selbständige Arbeiten mit dem Co-Innovation Framework. Wir führen in die relevanten Prozesse und Methoden ein und zeigen, wie Sie Ideenfindungsprozesse bestmöglich gestalten und diese strukturiert in Ihrem Unternehmen umsetzen können. Im Anschluss startet Ihr Team selbständig durch.